Schätze der Reichenauer Buchmalerei

Die ottonischen Handschriften aus dem Weltdokumentenerbe der UNESCO

Leuchtende Farben aus kostbaren Pigmenten, großflächig aufgetragenes Gold, auf Hochglanz poliert, stilisierte Formen und expressive Malerei in höchster Vollendung. Die reich und prunkvoll ausgestatteten Handschriften, die die Mönche auf der Reichenau für die ottonischen Herrscher und die Großen ihres Reiches im 10. und 11. Jahrhundert geschaffen haben, ziehen den Betrachter bis heute in den Bann. Erkennbar ungebrochen ist die Faszination, die von der Reichenauer Buchmalerei dieser Zeit ausgeht. Auf jeder Handschriftenseite ist die feierliche Aura des Erhabenen und Sakralen zu spüren. So großartig sind diese Schöpfungen, dass die UNESCO-Kommission zehn von ihnen 2003 für das Weltdokumentenerbe auswählte.
Die Faksimile-Kassette des Quaternio Verlags Luzern eröffnet den Blick in die wunderbare Bilderwelt dieser ottonischen Meisterwerke.

Schätze der Reichenauer Buchmalerei

Schätze der Reichenauer Buchmalerei: Die Handschriften

Perikopenbuch Heinrichs II., fol. 8v

Aufnahme ins „Gedächtnis der Welt“

Die Reichenauer Buchmalerei ist gewiss mit das Prächtigste, was unter den ottonischen Kaisern und Königen (919–1024) geschaffen wurde. Zu dieser Zeit gehörte das Benediktinerkloster auf der im Bodensee gelegenen Reichenau zu den wichtigsten kulturellen und gelehrten Zentren des ostfränkisch-deutschen Reiches. In seinem Skriptorium entstanden Prachthandschriften von großer Schönheit, deren Ästhetik die ottonische Kunst maßgeblich geprägt hat. Zehn von ihnen sind 2003 von der UNESCO in das Verzeichnis des „Weltdokumentenerbes“ (Memory of the World) aufgenommen worden. Die schönsten Bildmotive daraus werden in der Kassetten-Edition des Quaternio Verlags Luzern auf zehn Original-Faksimileblättern präsentiert.

Von überirdischer Schönheit

Stilistisch sind es die symmetrischen, flächigen Darstellungen mit monumentalem Charakter, die die ottonische Buchmalerei dominieren. Die Miniaturen sind vielfach ganzseitig. Bewusst haben die Künstler in den Bildern auf räumliche Tiefe verzichtet. Der Formenapparat der Malerei ist stark reduziert. Große, überlange und sehr ausdrucksvolle Figuren mit einer fast schon ekstatischen Gebärdensprache beherrschen das Geschehen und vermitteln spirituelle Dynamik und suggestive Kraft. Charakteristisch ist der Mut zu leeren und einfarbigen Flächen – zumeist Goldgrund, dessen Strahlen und Leuchten auf die überirdische Sphäre verweisen und als der Abglanz himmlischer Schönheit gelten.

Reichenauer Malerschule

Das Kloster Reichenau wurde 724 von dem irofränkischen Wanderbischof Pirmin auf einer Insel im Bodensee gegründet. Unter Karl dem Großen gehörte es zu den großen fränkischen Königsklöstern und erlebte unter den Ottonen nochmals einen gewaltigen Aufschwung. Vor allem in der Amtszeit der Äbte Witigowo, Immo und Berno (985–1048) produzierte das dortige Skriptorium Handschriften von herausragender künstlerischer Qualität, die von Kaisern, Königen und hohem Klerus in Auftrag gegeben wurden. Mindestens 58 Prachthandschriften aus der Reichenauer Malerschule haben sich bis heute erhalten. In nur sieben davon sind Namen von Schreibern und Buchmalern überliefert.

Kloster Reichenau

Schätze der Reichenauer Buchmalerei

Unter der Lupe: Ottonische Pracht und Herrlichkeit

Evangeliar Ottos III., fol. 24r

Die ottonischen Kaiser und Könige haben im 10. und frühen 11. Jahrhundert durch großzügige Förderung von Bistümern und Klöstern in ihrem Reich für eine intellektuelle und kulturelle Blüte gesorgt, die zahllose bedeutende Kunstwerke hervorgebracht hat. In der Buchmalerei ist die – auch als Frühromanik bezeichnete – ottonische Kunst am besten zu fassen. Programmatisch ist hier vor allem eine Bezugnahme auf spätantike und byzantinische Traditionen festzustellen. Die Produktion von prachtvollen Handschriften im Auftrag von Herrschern, Bischöfen, Äbten und Äbtissinnen war dabei die Sache von Klöstern und Domschulen. In den Skriptorien der großen Reichsklöster wie der Reichenau konzentrierten sich die künstlerischen Kräfte. Die geschaffenen Werke waren ein wichtiger Teil der ottonischen Herrschaftsrepräsentation.

Dementsprechend zeigt das Dedikationsbild im Evangeliar Ottos III. den jugendlichen Kaiser auf einem Löwenthron sitzend. Hinter ihm ist ein mehrfarbiger, kostbar verzierter Vorhang aufgespannt. Die damit behängte Architektur aus zwei Säulen mit Blattkapitellen und Köpfen und einem Dach darf als Kirche und somit als ein Hinweis auf die Sakralität des Herrscheramtes verstanden werden. Der Kaiser trägt über dem weißen Untergewand ein Purpurgewand mit Goldborten und einen grünen Mantel. In seinen Händen hält er die Insignien imperialer Macht: das Adlerzepter und die Sphaira. Er ist umgeben von den Großen seines Reiches. Dargestellt sind zwei Geistliche unterschiedlichen Alters jeweils im erzbischöflichen Ornat zu seiner Rechten und zwei weltliche Waffenträger mit Schwert, Schild und Lanze zu seiner Linken.

Schätze der Reichenauer Buchmalerei

Schätze der Reichenauer Buchmalerei: Die Kassetten-Edition

Faksimile-Kassette im Überblick

Die Faksimile-Kassette Schätze der Reichenauer Buchmalerei beinhaltet zehn Original-Faksimileblätter aus den ottonischen Prachthandschriften, die 2003 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erklärt worden sind.

10 Einzelblätter aus folgenden Handschriften: Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Bibl.22 (fol. 31v) und Msc.Bibl.140 (fol. 29v und 63v); München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4453 (fol. 24r), Clm 4454 (fol. 25r) und Clm 4452 (fol. 8v); Trier, Stadtbibliothek, Hs. 24 (fol. 66r); Cividale del Friuli, Museo Archeologico Nazionale, Cod. 136 (fol. 20v); Paris, Bibliothèque nationale de France, Ms. lat. 10514 (fol. 3v), Aachen, Domschatzkammer, G 25 (fol. 16r)
Entstehungszeit: zwischen 970 und 1020
Entstehungsort: Kloster Reichenau
Format der Einzelblätter: zwischen 23,8–42,5 cm Höhe und 18,5–32,0 cm Breite
Format der Kassette: ca. 44,0 x 33,0 cm
Künstler: verschiedene Buchmaler-Mönche
Auftraggeber: Kaiser Otto III., Kaiser Heinrich II., Erzbischof Egbert von Trier und Bischof Bruno von Toul
Ausstattung: handgearbeitete Kassette in dunklem Rot mit Goldprägung und herausnehmbarem Replikat einer zeitgenössischen Elfenbeintafel, 10 reich vergoldete Faksimileblätter im Originalformat, edles Schrägschnitt-Passepartout für jedes Einzelblatt
Begleitendes Textheft zur Edition von Esther-Luisa Schuster → Inhalt
Druckauflage: 800 Exemplare

Schätze der Reichenauer Buchmalerei, Faksimile-Kassette

Schätze der Reichenauer Buchmalerei

Herausforderungen bei der Herstellung: fac simile

Schätze der Reichenauer Buchmalerei, Replikat der Magdeburger Elfenbeintafel mit der Auferweckung des Jünglings zu Nain als Schmuck der Faksimile-Kassette

Originalgetreues Replikat einer Elfenbeintafel als Dekor

Die handgearbeitete Faksimile-Kassette Schätze der Reichenauer Buchmalerei ist mit dem herausnehmbaren Replikat einer geschnitzten Elfenbeintafel geschmückt. Neben der Buchmalerei blühte unter den Ottonenherrschern auch die Kunst der Elfenbeinschnitzerei. So ließ Otto I. der Große kurz nach seiner Kaiserkrönung 962 in Rom eine Reihe kunstvoller Elfenbeintafeln mit Szenen aus dem Leben Jesu für den Magdeburger Dom anfertigen. Das Abbild einer dieser sog. Magdeburger Elfenbeintafeln, die heute im British Museum in London verwahrt wird, ist als Dekor für die Faksimile-Kassette ausgewählt worden. Die Tafel zeigt die im Lukasevangelium berichtete Auferweckung des Jünglings zu Nain, die zu den Wunderzeichen Jesu gehört (Lk 7,11–17).

Die Reproduktion einer solchen über 1000-jährigen Elfenbeintafel ist sehr aufwendig und verbindet Hightech und handwerkliches Spezialwissen. Die Herstellung beginnt mit der 3D-Aufnahme des Originals in London und dem 3D-Druck eines Kunststoffmodells, das von einem besonders qualifizierten Elfenbeinschnitzer im Detail nachgeschnitzt und überarbeitet werden muss, bevor es für die Herstellung einer Gussform benutzt werden kann. Nach dem Guss des Rohlings aus vergilbungsfreiem, lichtechtem Material wird das Replikat dem Original entsprechend eingefärbt und patiniert.

Schätze der Reichenauer Buchmalerei, Faksimileblatt im edlen Schrägschnitt-Passepartout (Ausschnitt)

Ein edles Passepartout für jedes Blatt

Jedes der zehn Original-Faksimileblätter aus den Schätzen der Reichenauer Buchmalerei wird hinter einem Schrägschnitt-Passepartout präsentiert. Die Passepartouts sind aus chamoisfarbenem Spezialkarton gefertigt und haben ein Maß von 44,0 x 33,0 cm. Der Ausschnitt für die einzelnen Blätter variiert indes entsprechend ihrer Größe nach dem Originalformat der Handschriften. Die Schnittkanten werden angeschrägt, was der Buchbinder nur von Hand in der gewünschten Qualität ausführen kann, nachdem zuvor der gerade Zuschnitt halbautomatisiert mit einem Schneideplotter erfolgt ist. Das Passepartout führt den Blick des Betrachters und hilft dabei, jedes Detail der Buchmalerei zu entdecken.

Schätze der Reichenauer Buchmalerei

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