Das Speyerer Evangelistar

Ein Monument romanischer Buchkunst

Das Speyerer Evangelistar begeistert durch die Pracht seines Buchschmucks: das magisch schimmernde Gold, das intensive Farbenspiel, die originellen Bildkompositionen. Mit seinem Prunkeinband aus vergoldetem Silber, besetzt mit Schmucksteinen und spätantiken Gemmen, der eingelassenen vollplastischen Christusfigur und der reichen Ausstattung im Inneren gehört es zu den Spitzenwerken der spätromanischen Buchkunst. Gold und Silber, kostbare Pigmente und viel künstlerische Phantasie machen die großformatigen Miniaturen und die zahlreichen Initialen zu einer wahren Augenweide.

Tauchen Sie ein in eine wunderbare Bilderwelt, in der die vibrierende Intensität der Malerei durch kräftige Farbakkorde unterstrichen wird!

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Speyerer Evangelistar

Das Speyerer Evangelistar: Die Handschrift

Speyerer Evangelistar, fol. 11r

Sakrale Buchkunst

Ein Evangelistar gibt den Wortlaut der Lesungen aus den Evangelien im Ablauf des Kirchenjahres wieder. In romanischer Zeit genoss das heilige Buch als Träger der göttlichen Offenbarung höchste Verehrung. Dementsprechend kostbar ist seine innere und äußere Ausstattung. Diese unterstreicht die Würde der darin enthaltenen Texte. Beim Speyerer Evangelistar bilden die Handschrift und ihr Einband eine untrennbare Einheit. So ist die goldene Christusfigur auf dem Vorderdeckel nicht nur Schmuck, sondern auch theologisches Programm. Dasselbe gilt für die 16 goldglänzenden Miniaturen mit Bildern aus dem Leben und der Passion Jesu Christi, mit denen die drei Buchmaler aus Speyer oder Trier ausgewählte Textstellen illustriert haben.

Der Prachteinband

Nur bei wenigen Handschriften aus romanischer Zeit hat sich der Einband bis heute erhalten. Das Speyerer Evangelistar ist ein solcher Glücksfall, auch wenn der Prunkeinband um 1500 gründlich überarbeitet worden ist. Aus der Entstehungszeit der Handschrift stammen die 10 Nielloplättchen und die über 50 Edelsteine, der Glasfluss-Stein und die antiken Gemmen auf dem Vorderdeckel. Der thronende Christus im Mittelfeld wurde indes im Spätmittelalter erneuert und durch die heute vorhandene vergoldete Silberfigur ersetzt. Stilistisch sind die Niellen mit bestimmten Trierer Goldschmiedearbeiten aus der Zeit um 1220 in Zusammenhang gebracht worden, die auch für die Miniaturen offenkundig von vorbildhafter Bedeutung waren.

Custos Konrad

Das Nielloplättchen am unteren Rand des Vorderdeckels mit der Inschrift „CVNRAD[us] C[us]TOS“ wird allgemein als Stifterbild gedeutet. Es zeigt einen auf dem Boden liegenden Kleriker im Kapuzengewand, die Hände demütig zu dem übergroßen Christus über sich erhoben und dadurch auch sein Buch präsentierend. Die hier dargestellte Person ist als Konrad von Tann, Domkustos von Speyer, identifiziert worden. Dieser könnte um 1220 die Herstellung eines Evangelistars für den festtäglichen Gebrauch in der Speyerer Kathedrale in Auftrag gegeben haben. Jenseits der religiösen Motivation war eine solch großzügige Gabe sicherlich geeignet, die eigene Karriere in der kirchlichen Hierarchie zu befördern. 1233 wurde Konrad Bischof.

Speyerer Evangelistar, Niello auf dem Vorderdeckel mit der Darstellung des Konrad von Tann

Speyerer Evangelistar

Unter der Lupe: Neue Impulse für die Meister des Speyerer Evangelistars

Speyerer Evangelistar, fol. 5v
Die außerordentlich prachtvolle Ausstattung des Speyerer Evangelistars ist von Buchmalern aus Speyer oder Trier geschaffen worden. Die Art der Figurengestaltung in den Miniaturen verrät dabei Einflüsse aus dem Mittelmeerraum und Byzanz, wie sie im frühen 13. Jahrhundert vor allem in der Region zwischen Rhein, Mosel und Maas anzutreffen waren. Stil, Optik und Ästhetik der Kunst veränderten sich dadurch nachhaltig. Im Speyerer Evangelistar haben die Buchmaler die Gesichter ihrer Figuren individualisiert und sie kommunikativ in Beziehung zueinander gesetzt. Deutliche Fortschritte sind auch bei der anatomisch korrekten Darstellung der Körper oder dem freien Faltenspiel der Gewänder erkennbar. Neue Bildkompositionen verweisen auf das erweiterte ikonographische Repertoire der beteiligten Künstler.
So zeigt die ganzseitige Miniatur auf fol. 5v die Szene von Christi Geburt nicht in einem Stall, sondern in einer Höhle. Dies geht wohl ebenso auf byzantinische Vorbilder zurück wie die hier eindrücklich dargestellte innige Mutter-Kind-Beziehung. Im Vordergrund der Szene ruhen Maria und Josef vor der Geburtshöhle zwischen spitzen Felsnasen. Maria wendet sich aus ihrer Sitzposition heraus liebevoll dem Jesuskind zu, das in Windeln gewickelt in der Höhle liegt. Die Krippe, aus der Ochs und Esel fressen, ist altarartig gestaltet. Oben auf der runden Kuppe der Höhle sieht man zwischen den Bäumen die Verkündigung der frohen Botschaft an die Hirten. Eindrucksvoll ist hierbei die Unruhe wiedergegeben, die die Hirten und Tiere erfasst hat. Aus dem Himmelsrund ertönt das „Gloria in excelsis Deo“ der Engel.

Speyerer Evangelistar

Das Speyerer Evangelistar: Die Edition

Speyerer Evangelistar, Faksimile-Edition, Band stehend und aufgeschlagen

Handschrift und Faksimile im Überblick

Vor 800 Jahren haben hochbegabte Buchmaler und Goldschmiede mit dem Speyerer Evangelistar ein Gesamtkunstwerk ersten Ranges geschaffen, das heute aus konservatorischen Gründen nicht mehr offen gezeigt werden darf. Die originalgetreue Faksimile-Edition macht die Handschrift wieder zugänglich.

Handschrift: Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Bruchsal 1
Entstehungszeit: ca. 1220
Entstehungsort: Speyer oder Trier
Format: ca. 33,2 x 25,3 cm
Umfang: 154 Seiten (77 Blatt)
Künstler: drei Meister aus Speyer oder Trier
Auftraggeber: Konrad IV. von Tann, Domkustos und späterer Bischof von Speyer
Ausstattung: 17 ganzseitige Miniaturen mit 21 Einzelbildern, 70 reich ornamentierte und historisierte Initialen, leuchtende Farbpigmente, ziselierte Goldflächen
Einband: Prunkeinband mit vergoldeter plastischer Christusfigur auf dem Vorderdeckel, 10 Silberplättchen in Niellotechnik, 54 gefassten Schmucksteinen und Gemmen
Kommentarband von Harald Wolter-von dem Knesebeck / Ute Obhof → Inhalt
Druckauflage: 280 Exemplare

Die Faksimile-Edition steht unter dem hohen Patronat Seiner Exzellenz, des H.H. Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann, Diözesanbischof von Speyer.

Speyerer Evangelistar

10 Seiten zum Blättern:

Ein Blick in die faksimilierte Handschrift

Der gezeigte Ausschnitt aus dem Speyerer Evangelistar umfasst fol. 13r–17v.
Die Seitenfolge enthält mehrere ganzseitige Miniaturen. In den Bildfeldern sind Szenen aus dem Leben Jesu dargestellt. Ungewöhnlich ist die auf fol. 15r gleichsam eingeschobene Miniatur zur Prophetie des Ezechiel von der geschlossenen Pforte aus dem Alten Testament.
Auf den Textseiten fol. 14r und 15v springen zwei farbenfrohe ornamentierte Initialen mit vegetabilen Elementen ins Auge.

Speyerer Evangelistar

Herausforderungen bei der Herstellung: fac simile

Strahlende Goldflächen

Bei der Faksimilierung des Speyerer Evangelistars erfordert die Wiedergabe des Blattgolds in den großflächigen Goldgründen der Miniaturen und Initialen zusätzliche Arbeitsschritte. Da es mit keinem technischen Verfahren möglich ist, die Gold- und Silberaufträge als solche und nicht als Farbfläche zu erfassen, muss der Lithograph diese Partien in zeitintensiver Kleinarbeit in eigenen Auszügen für den Druck vorbereiten. Nachdem die Goldflächen aufgebracht worden sind, müssen manche der Goldgründe noch mit einer arabeskenartigen Ziselierung versehen werden. Den Abschluss bildet die Patinierung, um auch die Alterungsspuren der Jahrhunderte genauestens wiederzugeben.

Speyerer Evangelistar, Goldgrund mit feinster Ziselierung auf fol. 31r
Speyerer Evangelistar, Untersuchung der Steine am Originaleinband
Speyerer Evangelistar, Montage der einzelnen Elemente des Prachteinbands

Replikat des Einbands

Der Faksimile-Einband ist eine originalgetreue Kopie des aus über 150 Einzelteilen bestehenden mittelalterlichen Prunkeinbands. Für dessen Reproduktion werden zahlreiche Spezialisten benötigt. Als Erstes wird der Einbanddeckel mit einem 3D-Scanner aufgenommen, um auf diese Weise völlig berührungsfrei eine Abgussform herstellen zu können. Fachleute für Metallguss und Galvanisierung fertigen die vollplastische Christusfigur und den Ornamentrahmen an. Gemmologen wählen passende Steine aus, die den Steinen des Originals so nah wie möglich kommen, und stellen Replikate der Gemmen her. Goldschmiede und Graveure kümmern sich um die Nachbildungen der Nielloplättchen.

Speyerer Evangelistar

Die Faksimilemappe zur Edition

Speyerer Evangelistar, Faksimilemappe zur Edition
Die Faksimilemappe zum Speyerer Evangelistar enthält einen Original-Faksimilebogen, so dass Sie sich einen hervorragenden Eindruck von der Qualität der Edition machen können.
Der vierseitige Faksimilebogen zeigt mit der Kreuzigung und einer Darstellung der drei Frauen am leeren Grab Jesu am Ostermorgen zwei ganzseitige Miniaturen (fol. 31r und 31v), außerdem eine prachtvolle Zierinitiale (fol. 32r) und eine Heiligenfigur als Initiale (fol. 32v). Ausführliche Bildlegenden entschlüsseln den Reichtum der Buchmalerei. Eine 16-seitige Broschüre führt anschaulich in die Epoche der deutschen Spätromanik ein und erläutert die besonderen Herausforderungen bei der Faksimilierung dieser Prachthandschrift.

Speyerer Evangelistar

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