Der Codex Gisle
Das goldene Graduale der Gisela von Kerssenbrock
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„Der Codex Gisle ist ein herausragendes Zeugnis deutscher Buchmalerei der Gotik und in unserem Raum geradezu einzigartig. Er führt uns höchste Ansprüche klösterlichen Gesanges durch seine kostbaren Initialen anschaulich vor Augen […]. Die Faksimilierung durch den Quaternio Verlag Luzern hebt diesen Schatz und stellt ihn in die erste Reihe europäischer Kunstwerke.“ (Hermann Queckenstedt, Direktor des Diözesanmuseums Osnabrück)
Codex Gisle
Der Codex Gisle: Die Handschrift
Meisterwerk norddeutscher Gotik
Der Codex Gisle ist die schönste niedersächsisch-westfälische Handschrift aus der Zeit zwischen 1250 und 1400. Ihre außerordentliche Qualität beruht auf dem Reichtum und der Eleganz der zu wahren Miniaturen ausgestalteten Initialen. Immer wieder überrascht dabei auch die Ungewöhnlichkeit einzelner Motive, wie die Darreichung des Jesuskindes durch Josef in der Weihnachtsinitiale. Großzügig ist strahlend poliertes Gold als Hintergrund und für die Schriftauszeichnung verwendet worden. Einzigartig für ein gotisches Graduale dürfte die hohe Anzahl an Bild-Initialen sein. Durch die wunderbaren Illustrationen zum Weihnachts- und Osterfestkreis kann das Auge gleichsam miterleben, was der Mund im Gesang vollzieht.
Gesungenes Gotteslob
Mit rund 1500 gregorianischen Gesängen, die im Codex Gisle wiedergegeben werden, übertrifft das Repertoire das in anderen Gradualen der Zeit übliche Maß um mehr als das Doppelte. In einem Graduale waren alle Gesänge der täglich zu feiernden Messe im Ablauf des Kirchenjahres enthalten, die nicht vom Priester ausgeführt wurden. Das gesungene Wort Gottes war ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie und daher ein zentrales Element im Gottesdienst der geistlichen Gemeinschaften. Im Kloster Rulle bei Osnabrück wird die Vorsängerin das goldene Graduale während der Messe ehrfürchtig auf den Ambo gelegt haben, um dann die jeweils passenden Gesänge anzustimmen und den Chor ihrer Mitschwestern zu leiten.
Gisela von Kerssenbrock
Aus der frühen Zeit der Buchmalerei sind höchst selten Künstlernamen überliefert. Anders im Codex Gisle: Zweimal wird hier die Nonne „Gisle“ dargestellt. Bei ihr handelt sich um Gisela von Kerssenbrock († um 1300), die Vorsängerin des zisterziensisch geprägten Frauenklosters Rulle. Als Cantrix war sie für den Chorgesang und das Buchwesen der Gemeinschaft verantwortlich. Ihr entscheidender Anteil an der Herstellung des prächtigen Graduales bestand mutmaßlich darin, dass sie die notwendigen Mittel aus ihrem Familienbesitz stiftete, die Vorlage beschaffte, an der Konzeption des Bildprogramms mitwirkte, die Entscheidung über die mit den Zierinitialen zu beauftragende Buchmaler-Werkstatt traf und das eigene Skriptorium instruierte.
Codex Gisle
Unter der Lupe: Miniaturengleiche Zierbuchstaben
Codex Gisle
Der Codex Gisle: Die Edition
Handschrift und Faksimile im Überblick
Der Codex Gisle bietet im Original wie in der Faksimile-Edition ein wahres Feuerwerk an Gold und Farben.
Handschrift: Osnabrück, Diözesanarchiv, Ma 101
Entstehungszeit: ca. 1300
Entstehungsort: Kloster Rulle, Osnabrück
Format: ca. 35,5 x 26,0 cm
Umfang: 344 Seiten (172 Blatt)
Künstler: professionelle Buchmaler-Werkstatt in der Bischofsstadt Osnabrück, Gisela von Kerssenbrock
Auftraggeber: Gisela von Kerssenbrock
Ausstattung: 53 historisierte Initialen, 201 Goldinitialen auf farbigem Grund, 15 blau-goldene Initialen auf rotem Fleuronnée, Ziermedaillons, Rankenwerk, farbiger Notenschmuck
Einband: hellbrauner Ledereinband mit ganzflächiger Blindprägung und Eckbeschlägen und Schließen aus Messing (Original aus dem 16. Jahrhundert)
Kommentarband in 2 Bänden mit CD (mit neun Gesängen aus dem Codex Gisle, aufgenommen von der Frauenschola des Osnabrücker Jugendchors) von Harald Wolter-von dem Knesebeck / Beate Braun-Niehr / Hermann Queckenstedt / Fabian Kolb → Inhalt, Bd. 1 und → Inhalt, Bd. 2
Druckauflage: 480 Exemplare
Musik aus dem Codex Gisle
Eigens für die Faksimile-Edition wurden am 28. November 2014 in der Herz-Jesu-Kirche Osnabrück insgesamt neun Gesänge aus dem Codex Gisle von der Frauenschola des Osnabrücker Jugendchors aufgenommen. Lassen Sie sich verzaubern von den gregorianischen Klängen aus diesem goldglänzenden Graduale (Hörbeispiel: Introitus zu Weihnachten „Puer natus est nobis“)!
Codex Gisle
10 Seiten zum Blättern:
Ein Blick in die faksimilierte Handschrift
Der hier präsentierte Ausschnitt aus dem Codex Gisle umfasst die Seiten 136 bis 145.
Diese gehören zum Osterteil und beinhalten die Gesänge, die während der Besprengung mit Weihwasser bei der Messe am Ostersonntag, am Ostermontag und am Osterdienstag gesungen wurden. Die Bedeutung der einzelnen Gesänge spiegelt sich dabei in der Hierarchie der Initialen wider, die von goldenen Buchstaben mit Fleuronnée oder farbigem Grund über unterschiedlich große historisierte Initialen bis hinauf zur prachtvoll gestalteten Zierseite reicht. Auf jeder Seite sind 10 bis 12 Liniensysteme eingezeichnet, die für die Musiknotation mit den zugehörigen Textzeilen gebraucht werden.
Codex Gisle
Herausforderungen bei der Herstellung: fac simile
Mit geschultem Blick
Nachdem der Codex Gisle im Diözesanarchiv Osnabrück digital aufgenommen worden ist, analysieren der Photograph und der Lithograph vor Ort die erfassten Bilddaten. Der Lithograph bereitet später am Computer die Farb- und Goldauszüge für den Andruck vor. Nach dem Andruck aller Seiten werden diese wiederum vor Ort mit der Handschrift verglichen. Dabei gilt es kleinste Farbabweichungen auszumachen und zu korrigieren – eine minutiöse Arbeit, die ein geschultes Auge erfordert und große Erfahrung voraussetzt. Viele Korrekturdurchgänge sind vonnöten, bis die gewünschte Übereinstimmung mit dem Original erreicht ist und die limitierte Auflage gedruckt werden kann.
Handwerk vom Feinsten
Für den Faksimile-Einband des Codex Gisle sucht der Buchbinder farblich passende Lederfelle aus und schärft diese so dünn aus, dass er sie gut über die massiven Holzdeckel ziehen kann. Die Kanten der Deckel sind vorher abgeschrägt worden. Für die Blindprägung der Lederdecke müssen jeweils eigene Prägeklischees für den Vorder- und den Rückdeckel angefertigt werden. Damit die neun Bünde am Rücken gleichmäßig hervortreten, wird jedes Faksimile-Exemplar für rund 24 Stunden in die Klotzpresse eingespannt. Mit der Filete prägt der Buchbinder später die Zierlinien am Buchrücken. Am Schluss nagelt er die Eckbeschläge auf und bringt die beiden Buchschließen am Codex an.
Codex Gisle
Die Faksimilemappe zur Edition
Codex Gisle