Glossar zur Buchmalerei und Handschriftenkunde
A
Akanthus (griech. akanthos = Bärenklau). Das besonders fleischige Blatt der Mittelmeer-Distel mit den charakteristischen, an der Spitze leicht eingerollten und gelappten Endungen fungierte seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert als beliebtes Dekorationselement der klassischen griechischen Kunst. Über die spätantike Kunst gelangte das Akanthus-Motiv neben der mittelalterlichen Bauplastik und Goldschmiedekunst vor allem in das Schmucksystem der Buchmalerei.
Alexanderroman. Romanhafte Lebensbeschreibung Alexanders des Großen (356–323 v.Chr.). Der griechische Alexanderroman des Pseudo-Kallisthenes entstand im 3. Jahrhundert n.Chr. und beinhaltet allerlei Wunder- und Schauergeschichten über den antiken makedonischen Herrscher. Dieser sagenhafte Stoff entfaltete eine große Wirkung in den Literaturen des Mittelalters und wurde in zahlreichen Übersetzungen und volkssprachlichen Nachdichtungen überliefert. Ein besonders schönes Beispiel ist → Der Pariser Alexanderroman.
Apokalypse. Altjüdisch-urchristliche Literaturgattung, die insbesondere Prophezeiungen der eschatologischen Endzeit zum Inhalt hat. Dazu gehören im Alten Testament das Buch Daniel und das letzte Buch des Neuen Testaments, die Johannes-Offenbarung, die unter dem Eindruck der Christenverfolgung Kaiser Domitians (81–96 n.Chr.) entstand. Die früh- und hochmittelalterlichen Apokalypsen dienten neben liturgischen vor allem auch didaktisch-erbaulichen Zwecken. Sehr reich ist die Überlieferung der Apokalypsen aus dem englisch-nordfranzösischen Raum im 13. und 14. Jahrhundert. Eindrucksvolle Beispiele stellen → Die Apokalypse von Cambrai und → Die Corpus-Christi-Apokalypse dar.
Armenbibel (lat. biblia pauperum). Eine gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Benediktinerklöstern und Augustinerchorherrenstiften Bayerns und Österreichs entstandene Buchgattung, in der eine typologische (→ Typologie) Bildzusammenstellung dominiert: Einer neutestamentlichen Darstellung (Antitypus) werden zwei inhaltlich entsprechende Szenen aus dem Alten Testament (Typen) zugeordnet. Das Alte Testament wird als Vorankündigung der sich im Neuen Testament erfüllenden Heilsgeschichte interpretiert. Auf keinen Fall waren Armenbibeln, wie der Name nahelegen könnte, Bücher für die des Lesens unkundigen Armen, was allein schon daraus ersichtlich wird, dass die ersten Exemplare auf Latein verfasst wurden. Erst im 14. und 15. Jahrhundert begegnen uns deutschsprachige Ausgaben.
B
Bas-de-page (franz. = unten auf der Seite). Bildbereich am unteren, meist besonders breiten Seitenrand außerhalb des Schriftspiegels, der mit kleinen Szenen beziehungsweise → Drolerien illustriert ist.
Bastarda (franz. [écriture] bâtarde = Misch[-Schrift]). Eine gotische Hybridschriftart, die kalligraphisch die Mitte zwischen stark formalisierter → Textura und schnell zu schreibender gotischer Kursive hält. Sie kam um 1300 in Frankreich auf und verbreitete sich in landschaftlich stark variierenden Ausprägungen im 14. / 15. Jahrhundert über ganz Europa.
Bestiarium (lat. bestia = wildes Tier). Naturkundliches Werk mit moralisierend-didaktischer Intention. Verhaltensweisen und Eigenschaften von existierenden Tieren und Fabelwesen werden symbolhaft gedeutet und dem Menschen als Vorbild für ein gottgefälliges Leben oder als Warnung vorgeführt. Der Buchtyp geht in weiten Teilen zurück auf den anonymen → Physiologus (um 200 n.Chr.).
Bible moralisée (franz. = moralisierend kommentierte Bibeltexte). Dieser Handschriftentypus beinhaltet eine Sammlung von Bibeltexten in Auszügen oder Paraphrasen, die moralisch oder allegorisch kommentiert werden. Das Hauptaugenmerk der Handschriften liegt auf den besonders umfangreichen Bilderzyklen, gelegentlich mit bis zu 2700 typologischen Bildpaaren, zumeist in Medaillonform. Bibles moralisées entstanden um 1220 in Frankreich, wohl im Umkreis des Königshofes, erhielten aber erst im 15. Jahrhundert ihre bis heute gültige Bezeichnung.
Blattgold. Hauchdünne Blättchen aus Goldblech, im Mittelalter von einem Goldschläger hergestellt mittels abgerundeter Spezialhämmer. Die Blättchen werden zum Zweck der Vergoldung auf einen präparierten Grund mit Hilfe eines Bindemittels (meist Eiklar mit Bolus vermischt) aufgetragen und häufig anschließend poliert.
Bordüre (franz. bordure = Einfassung, Borte). Ornamental, vegetabil oder figürlich geschmückter Rahmen einer Miniatur- oder Textseite. Ausgehend von Rankenausläufern der → Initialen entsteht die Bordüre in der Zeit des Übergangs von der romanischen zur gotischen Buchmalerei. Die Loslösung der Ornamentik von der Initiale lässt schließlich eine dichte Vollbordüre entstehen. Zu ihrem Motivschatz gehören u.a. das → Dornblatt und das → Akanthusblatt, auch mit eingestreuten → Drolerien und → Medaillons, oder Architekturelemente (Architekturrahmen).
Brevier (lat. breviarium = kurzes Verzeichnis). Liturgisches, dem Gebrauch der Kleriker vorbehaltenes Buch, das die verschiedenen Teile des kirchlichen Stundengebets vereint, entstanden im 12. Jahrhundert. Seine Rezitation erfolgte nach einem festen Turnus der Gebetszeiten: Matutin (in der Nacht), Laudes (bei Sonnenaufgang), Prim (sechs Uhr), Terz (neun Uhr), Sext (zwölf Uhr), Non (fünfzehn Uhr), Vesper (bei Sonnenuntergang), Komplet (vor dem Schlafengehen). Parallel zum Brevier entwickelte sich das → Stundenbuch als Gebetbuch für Laien.
Busspsalmen. Diese Lieder werden König David zugeschrieben, der in ihnen Reue, Vertrauen in Gott und Hoffnung auf Verzeihung ausdrückt. Bereits im 6. Jahrhundert n.Chr. hat man die Psalmen 6, 31, 37, 50, 100, 129 und 142 als Bußpsalmen zusammengestellt und besonders mit der Sühne für die Sieben Todsünden assoziiert. → Psalter
C
Capitalis (lat. caput = Haupt). Eine sich seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. entwickelnde römische Schriftart, die ausschließlich aus → Majuskeln besteht, die jeweils ungefähr einem Quadrat einzubeschreiben sind. Charakteristisch sind dabei dünne Aufstriche und breitere Abstriche. Sie wurde an römischen Monumenten (Capitalis Monumentalis) oder in Handschriften gebraucht (Capitalis Quadrata). In mittelalterlichen Handschriften kam die Capitalis Quadrata als Auszeichnungsschrift zur Anwendung.
Chronik (griech. chronos = Zeit). Eine auf die Spätantike zurückgehende, für das Mittelalter charakteristische Form der Geschichtsschreibung. Seit dem 12. Jahrhundert werden Chroniken vermehrt auch in den Volkssprachen abgefasst. Grundlegend war eine Darstellung der Abfolge der Zeiten (series temporum). Zwar konnte im Mittelalter jede Form historischer Darstellung als Chronik bezeichnet werden, theoretisch gefordert blieb jedoch eine knappe und zeitlich geordnete Berichterstattung (im Unterschied zur erzählerischen und analytischen Ausgestaltung des Geschehens in der Historia). Die Grenzen zwischen den verschiedenen historiographischen Gattungen waren gleichwohl fließend. Ein Beispiel dafür bietet → Die Flämische Bilderchronik Philipps des Schönen.
Codex (auch Kodex; lat. caudex = Holzblock). Bezeichnung für die sich vom 1. bis 4. Jahrhundert n.Chr. entwickelnde Buchform aus gefalteten Papyrus- oder Pergamentblättern, die zwischen Holzdeckel geheftet wurden, und die die bis dahin übliche Rollenform ablöste. Ein Codex aureus bezeichnet ein ganz in Gold geschriebenes Buch, meist ein → Evangeliar.
D
Dornblatt. Typische Blattform der gotischen Ornamentik in Gestalt von dreiteiligen (Efeu) oder fünfteiligen (Weinblatt) spitzgezackten Blättern, meist in Blattgold ausgeführt.
Drolerien (franz. drôlerie = launiger Einfall). Aus der Literatur entlehnter Begriff, der spielerisch-groteske Darstellungen von Mischformen aus Menschen oder Tieren und anderen Fabelwesen bezeichnet, häufig in kapriziösen Szenen zusammengestellt im Rankenwerk gotischer Buchseiten, auch in → Initialen, Zierleisten und → Bordüren. Drolerien besitzen neben ihrer parodistischen Eigenschaft oft auch eine moralisierende Bedeutung.
E
Epistolar (lat. epistula = Brief). Liturgisches Buch mit den während der Messe gelesenen Abschnitten aus den Episteln (Briefe des Neuen Testaments) und der Apostelgeschichte in der Reihenfolge des Kirchenjahrs. Schon seit dem Ende des 8. Jahrhunderts in Gebrauch, avancierte das Epistolar etwa ab dem 10. Jahrhundert zu einem eigenständigen liturgischen Buch, das später im → Missale oder → Lektionar aufging.
Evangeliar (griech. evangelion = Frohbotschaft). Liturgisches Buch mit dem kompletten Text aller vier Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. In der Regel sind zusätzlich die → Kanontafeln enthalten mitsamt dem sie erläuternden Brief des Kirchenvaters Eusebius von Caesarea, die von Hieronymus der → Vulgata vorangestellten Texte sowie Vorreden und kurze Inhaltsangaben zu den Evangelien. Nach mittelalterlichem Verständnis repräsentiert das Evangeliar in der Messe Christus als lebendiges Wort. Daher waren viele Evangeliare mit einem kostbaren Prachteinband geschmückt und sind reich ausgestattet (z.B. mit Evangelistenporträts, → Maiestas Domini, Zierschriftseiten und eventuell mit Goldschrift).
Exlibris (lat. = aus den Büchern von …). Bucheignerzeichen, oftmals von Künstlern gestaltet, mit dem Namen des Besitzers, dem Wappen oder anderen auf den Eigner bezogenen Symbolen. Es wird auf die Innenseite des vorderen Buchdeckels (→ Spiegel) oder auf ein Vorsatzblatt geklebt.
F
Faksimile (lat. fac simile = mach es ähnlich). Eine möglichst detailgenaue und vollständige Reproduktion einer Handschrift (oder eines Druckwerks), die unter Zuhilfenahme aller möglichen technischen Mittel sämtliche Merkmale des Originals wiedergibt. Das Spektrum der → Arbeitsschritte, die es braucht, um ein Faksimile entstehen zu lassen, reicht von der Nutzung neuester Digitaltechniken bei der photographischen Aufnahme des Originals bis zur handwerklichen Tätigkeit spezialisierter Buchbinder.
Fibel. Ein illustriertes Leselernbuch mit selektiertem und dementsprechend beschränktem Wortschatz, das häufig auch als erstes Schreiblehrbuch diente. Etymologisch leitet sich „Fibel“ von „Bibel“ ab, denn die Kinder lernten die Kunst des Lesens mit Hilfe biblischer Texte, meist des → Psalters. Erste Belege datieren um 1400. Ein besonders schönes Beispiel ist → Die Fibel der Claude de France.
Fleuronnée (franz. fleuronnée = geblümt). In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts aufgekommene, als Federzeichnung (vor allem in Rot, Blau und Schwarz) ausgeführte Ornamentik der Gotik zur Verzierung hauptsächlich von → Initialen (stilisierte Blatt- und Blütenranken, aber auch Fadenwerk und Perlen als Ausläufer und Besatz des Buchstabenkörpers).
Folio (lat. folium = Blatt) ist in der → Kodikologie die übliche Bezeichnung für ein Pergament- oder Papierblatt in einem → Codex. Es war bis ins 16. Jahrhundert hinein üblich, in Büchern nicht die Seiten, sondern die Blätter zu zählen und mit Blattziffern meist am oberen Rand zu versehen. Diese Art der Bezifferung wird Foliierung genannt – im Unterschied zur → Paginierung bei Seitenzählung. Der Ablativ folio (= auf dem Blatt), abgekürzt f. oder fol., ist daher bei allen, die sich mit Buchmalerei beschäftigen, noch heute üblich anstelle einer Seitenangabe: fol. 10r (sprich: folio 10 recto) bedeutet „auf der Vorderseite von Blatt 10“, fol. 10v (folio 10 verso) bedeutet „auf der Rückseite von Blatt 10“.
G
Gebetbuch. Andachtsbuch, das für den Gebrauch der Laien bestimmt war und Gebete zu verschiedenen Anlässen zusammenstellt, zum Beispiel für Morgen- und Abendgebete, Andachtstexte im Rahmen der Beichte und der heiligen Kommunion, Fürbitten für Verstorbene usw. Der Begriff wird oft fälschlich synonym für den des → Stundenbuchs gebraucht. Während jedoch beim Stundenbuch ein fester Textkanon vorliegt, hatte der Auftraggeber eines Gebetbuchs größere Freiheit bei der Textzusammenstellung und war zum Gebrauch nicht an die festgelegten Gebetsstunden gebunden. Daher folgen auch die illustrierenden Bilderzyklen nicht unbedingt einem festen System. Ein außergewöhnlich schönes Beispiel dafür bietet → Das Gebetbuch der Claude de France.
Graduale (lat. gradus = Stufe). Seit dem 12. Jahrhundert geläufige Bezeichnung für das liturgische Buch mit den Gesängen des Gregorianischen Chorals für die katholischen Messliturgie, die von der Schola und nicht vom Priester angestimmt werden. Der Name leitet sich von den Stufen des Ambo ab, von denen aus der Gesang vorgetragen wird. Da der ganze Chor aus einem Buch gesungen hat, sind Graduale fast immer großformatige Handschriften. Ein besonders prachtvolles Beispiel stellt → Der Codex Gisle von ca. 1300 dar.
Grisaille (franz. gris = grau). Grau-in-Grau-Malerei. Monochrome Malerei, die ausschließlich in Grau, Weiß und Schwarz ausgeführt ist und auf der reinen Schattenwirkung beruht. Die Grisailletechnik wird besonders häufig zur illusionistischen Nachbildung plastischer Werke (Steinskulpturen) verwendet. Bei der Demi-Grisaille werden Buntakzente gesetzt, um die Phänomenalität der Malerei zu steigern und einen wirkungsvollen Effekt von Modellierung und Tiefe zu erreichen.
H
Heilsspiegel. Die deutsche Bezeichnung ist die Übersetzung des lateinischen Speculum humanae salvationis, das sich im 13. / 14. Jahrhundert nach dem Vorbild der → Armenbibel entwickelte und in zahlreichen Abschriften erhalten ist. Es handelt sich um eine populär-theologische Kompilation der Geschichte der Menschheit von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht. Ähnlich der Armenbibel wurden die in den Evangelien geschilderten Ereignisse zu einzelnen Szenen aus dem Alten Testament und zur Profangeschichte in Beziehung gesetzt. Ein wunderbares Beispiel ist → Der Heilsspiegel aus Kloster Einsiedeln.
Historienbibel (lat. historia = Geschichte). In deutscher Prosa verfasste, durch apokryphe Berichte und Zutaten aus der weltlichen Geschichte erweiterte Nacherzählungen der biblischen Geschichte. Ihre Textgrundlagen bildeten, neben der → Vulgata, also der lateinischen Bibelversion des heiligen Hieronymus, weitere Texte wie die Historia scholastica des Petrus Comestor von etwa 1169–1173 oder die gereimten deutschen Weltchroniken des 13. und 14. Jahrhunderts. Die über hundert erhaltenen, großenteils illustrierten Handschriften der Historienbibeln weichen in Umfang, Textbestand und Rezeption ihrer Vorlagen beträchtlich voneinander ab. Verbreitet waren sie im gesamten deutschen Sprachraum, mit einem Schwerpunkt anscheinend im Elsass, in Schwaben und im bayerisch-österreichischen Gebiet. Seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar, erlebten sie ihre Hochkonjunktur zwischen ca. 1440 und 1470–1480.
I
Incipit-Seite (lat. incipit = es beginnt). Die Seite eines → Evangeliars, die die Initiale einer einleitenden Formel als Auftakt zum jeweiligen Evangelium aufweist: Incipit [Sanctum] Evangelium secundum Matthaeum etc. („Es beginnt das [heilige] Evangelium nach Matthäus etc.“). Generelle Bezeichnung für die Zierschriftseite mit den ersten Worten eines Evangeliums.
Initiale (lat. initium = Anfang, Beginn). Durch Schriftart oder ‑größe und Verzierungen hervorgehobener Anfangsbuchstabe eines Textabschnitts. Als „historisierte Initiale“ (lat. historiare = mit Illustrationen versehen) bezeichnet man die Initialen, deren Buchstabenkörper mit einer textbezogenen figürlichen Darstellung ausgefüllt ist und je nach Größe miniaturenartig wirken kann.
Inkarnat (ital. incarnato = fleischfarben). Der Begriff bezeichnet den Farbton, der in der Malerei der Wiedergabe der menschlichen Haut dient. Er definiert sich ästhetisch in seinem Verhältnis zu den benachbarten Farbtönen, zur Beleuchtung im Bild sowie generell aus stilistischen Vorlieben heraus. Innerhalb der Skala gemischter Farbtöne ist das Inkarnat meist zwischen Hochrot und Weiß angesiedelt. In der byzantinischen Kunst dagegen war ein ins Grünliche gehender Inkarnat-Ton üblich. Grüne Schattentöne schimmern oft auch noch in der italienischen Trecento-Malerei (14. Jahrhundert) durch.
K
Kalendar(ium) (lat. calendae = erster Tag des altrömischen Monats). Verzeichnis aller beweglichen und unbeweglichen Feste im Fortgang des Kirchenjahres, nach Monaten und Tagen geordnet. Die Zusammenstellung der Texte unterscheidet sich im Mittelalter nach dem Gebrauch für einzelne Diözesen, Orden, Kirchen usw. Immerwährende Kalender sind feste Bestandteile von → Stundenbüchern und → Psalterien.
Kanontafeln (griech. kanon = Regel). Konkordanztabelle der vier Evangelien, von Eusebius von Caesarea (um 260–339) im Auftrag von Kaiser Konstantin dem Großen verfasst. Um inhaltlich übereinstimmende oder nur in einem der vier Evangelien vorkommende Berichte tabellarisch zu erfassen, wurde jedes Evangelium in Kleinstkapitel unterteilt und in zehn Tabellen (Canones) eingetragen. Sie stehen zu Beginn der → Evangeliare und sind meistens reich mit Buchschmuck verziert.
Karolingische Minuskel (lat. minusculus = ziemlich klein). Eine im Karolingerreich im späten 8. Jahrhundert entwickelte → Minuskel-Schriftart, die sich durch einfache und klare Formen, gleichmäßigen Duktus und schwungvolle Rundungen auszeichnet. Zusätzlich zu ihrem harmonischen Erscheinungsbild ermöglichte sie einen schnelleren Schreibfluss und eine größere Textmenge pro Seite. Sie verbreitete sich in ganz Mittel- und Westeuropa und war als Buchschrift bis ins 12. Jahrhundert in Gebrauch.
Kodikologie. Wissenschaftliche Gesamtheit aller faktischen Angaben zu Entstehung, Struktur und Inhalt, Herkunft (Provenienz) und Überlieferung eines → Codex.
Kolophon (griech. = Schlussschrift). Schlussvermerk in Handschriften und Frühdrucken; enthält Angaben über Schreiber bzw. Drucker, Titel, Ort und Zeit der Herstellung.
Kustoden (lat. custos = Wächter). Unter der Bezeichnung versteht man die seit der Spätantike und mit dem Aufkommen des → Codex (statt der Buchrolle) eingeführten Ordnungshilfen für → Lagen und Blätter eines Buches, durch die das erste beziehungsweise letzte Blatt (Seite) einer Lage gekennzeichnet wird. In mittelalterlichen Handschriften wurden zu diesem Zweck Buchstaben und Ziffern verwendet, aber auch das erste Wort der folgenden Lage (die → Reklamante), das auf dem letzten Blatt der vorausgehenden Lage unten rechts plaziert wurde. Dies war vor allem für den Buchbinder eine Hilfe, der die Lagen in der richtigen Reihenfolge heften sollte.
L
Lage. Begriff aus der Handbuchbinderei: Die einzelnen Blätter eines Codex werden gefalzt, ineinander gelegt und zu Lagen zusammengetragen. Mehrere Lagen werden dann geheftet und zwischen Buchdeckel gebunden. Zumeist besteht eine Lage aus vier Doppelblättern, dem → Quaternio. Daneben gibt es Binio = zwei, Ternio = drei, Quinternio (Quinio) = fünf Doppelblätter usw.
Legendarium (mittellat. legenda = das zu Lesende). Im engeren Sinne eine Sammlung von Heiligenleben zur Lesung in der Matutin des → Breviers. Im weiteren Sinne jede Sammlung von Heiligenviten, entweder als Sammlung von Texten verschiedener Autoren oder als Kompilation durch einen Autor (Kurzlegendar), vornehmlich zur Predigtvorbereitung und / oder persönlichen Erbauung. Legendarien waren im Mittelalter sehr beliebt und wurden auch in den Volkssprachen gepflegt. Ein prachtvolles Beispiel aus der Renaissance ist → Das Legendarium der Sforza.
Lektionar (lat. lectio = Lesung). Im 7. Jahrhundert entstandener, seit dem 9. Jahrhundert verbreiteter Typus eines in der Messe gebrauchten Buches, das die Lesungen aus den Evangelien, den Apostelbriefen oder aus den Predigttexten der Kirchenväter vereint, geordnet nach dem Lauf des Kirchenjahres.
Ligatur (lat. ligatura = Bindung). Bezeichnung für die Verbindung (den untrennbaren ornamentalen Zusammenschluss) zweier oder mehrerer benachbarter Buchstaben.
M
Maiestas Domini (lat. = Herrlichkeit des Herrn). Die Bestandteile dieses zentralen Bildtyps des Mittelalters sind der frontal thronende Christus in einer → Mandorla, gelegentlich auch in einer kreis- oder vierpassförmigen Sphäre, meistens umgeben von vier geflügelten Wesen. Diese vier Wesen werden seit dem 2. Jahrhundert als Sinnbilder der Evangelisten verwendet (abgeleitet von Ez 1,4–20 und Offb 4,6–8).
Mandorla (ital. = Mandel). Mandelförmiges Feld rund um eine ganze Figur, meist zur Auszeichnung von Christus verwendet (→ Maiestas Domini).
Medaillon (ital. medaglione = große Schaumünze). Kleines rundes oder ovales Bild, das in der Regel in einen größeren Zusammenhang (zum Beispiel innerhalb einer → Bordüre) eingebunden ist.
Miniatur (lat. minium = Mennigerot). Sehr starke Bedeutungsausweitung eines Begriffs, der ursprünglich nur die roten Handschriftenverzierungen bezeichnete. Alle selbständigen, mithin nicht an → Initialen gebundene figürlichen Malereien, die gerahmt oder ungerahmt sein können. Es gibt ganzseitige Miniaturen, Randminiaturen und spaltenbreite Miniaturen, außerdem Streifenbilder und in den Text eingestellte „Kleinbilder“.
Minuskeln (lat. [littera] minuscula = kleinerer Buchstabe). Kleinbuchstaben, die in ein Vier-Linien-System eingeschrieben sind. Sie können Ober- und Unterlängen haben. Siehe auch → Karolingische Minuskel.
Missale (mittellat. missale = Messbuch). Dieses liturgische Buch enthält alle Lesungen, Gebete sowie weitere Texte, die bei der Messfeier im Ablauf eines Jahres Verwendung finden. Die ersten Missale-Ausgaben erscheinen gegen Ende des 10. Jahrhunderts und lösen im 12. Jahrhundert das → Sakramentar ab.
Monatsbilder (-arbeiten). Typus der Kalenderillustration, oft im Verein mit Tierkreiszeichen. Darstellung der einzelnen Monate, die durch Symbole oder genrehafte Tätigkeiten aus der bäuerlichen oder höfischen Welt gekennzeichnet werden.
Muschelgold. Aus zu Pulver zerriebenem Blattgold und unterschiedlichen Bindemitteln wurde eine wasserlösliche Goldfarbe gewonnen. Diese Gold-Emulsion wurde zum Schreiben oder in den Miniaturen zum Höhen der Details, wie Haare oder Gewandsäume, verwendet. Die Bezeichnung rührt daher, dass Muschelgold gern in Muschelschalen gemischt und / oder aufbewahrt wurde.
Musivgold. Ein Zinnsulfidpulver, das seit dem 13. / 14. Jahrhundert vermehrt als Ersatz für Goldfarbe (→ Muschelgold) diente.
O
Offizium (lat. officium = Pflicht). Zunächst das den Ordensleuten und dem Klerus kirchlicherseits vorgeschriebene liturgische Tagzeitengebet (Matutin gegen Mitternacht, Laudes gegen 3 Uhr morgens, Prim gegen 6 Uhr, Terz gegen 9 Uhr, Sext gegen 12 Uhr, Non gegen 15 Uhr, Vesper gegen 18 Uhr, Komplet gegen 21 Uhr). Der Begriff wird meist als Bezeichnung für die Texte des täglichen Stundengebets (gelegentlich auch für das Messformular) eines Wochen- und Festtages gebraucht.
Oratio(n) (lat. oratio = Rede). Allgemeine Bezeichnung für jede in sich abgeschlossene Gebetsformel, in der der Priester das Anliegen der Gläubigen Gott vorträgt. Die Oratio Omnipotens sempiterne Deus … („Allmächtiger, ewiger Gott …“) war Bestandteil der ersten Vesper und der Laudes des Dreifaltigkeitsfestes. Siehe auch → Offizium.
P
Paginierung (lat. pagina = Seite). Durchlaufende Nummerierung der Seiten, wie in modernen Büchern üblich. Siehe auch → Folio.
Palimpsest (griech. palin psestos = wieder abgekratzt). Der Begriff, der dem lateinischen codex rescriptus (= wiederbeschriebenes Buch) entspricht, spielt in den Gepflogenheiten fast aller Schriftkulturen eine Rolle. Im frühen Mittelalter war es vielfach üblich, das teure → Pergament von nicht mehr benötigten Büchern abzuwaschen oder die bisherige Beschriftung abzukratzen, um den Beschreibstoff erneut verwenden zu können. Der modernen Technologie ist es gelegentlich möglich, die unter dem obersten Schriftspiegel liegenden älteren Texte sichtbar zu machen. Vor allem Werke mancher antiker Schriftsteller sind einzig als derartige Palimpseste erhalten geblieben.
Pergament (abgeleitet von der kleinasiatischen Stadt Pergamon, dem Haupthandelsort für Pergament in der Antike). Der im Mittelalter übliche Beschreibstoff. Ebenso wie Leder wird Pergament aus Tierhäuten hergestellt, die allerdings ungegerbt in eine Kalklösung gelegt werden, bevor dann Haare, Oberhaut und anhaftende Fleischreste abgeschabt werden und die Haut anschließend zum Trocknen aufgespannt wird. Durch das Aufspannen können aus winzigen Schnitten und Rissen runde Löcher entstehen.
Perikopenbuch (griech. perikoptein = ausschneiden). Eine besondere Rolle unter den Schriftlesungen nimmt das Evangelium ein, da es als Sprechen Christi zu seiner Gemeinde verstanden wird. Das Vorlesen eines Abschnitts aus den Schriften der vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes ist spätestens seit dem 3. / 4. Jahrhundert fester Bestandteil der Messliturgie. Es bildeten sich Leseordnungen heraus, in denen die wichtigsten Abschnitte der Evangelien wie auch der anderen Lesungen auf die einzelnen Festtage, Sonntage und herausgehobenen Wochentage verteilt wurden. Die Verzeichnisse der Lesungen und Evangelien hießen „Comes“ (Begleiter) oder „Capitulare“ (Kapitelverzeichnis). Die ältesten überlieferten Verzeichnisse dieser Art datieren für den römischen Liturgiebereich in das 7. Jahrhundert. Für den im jeweiligen Gottesdienst zu lesenden Abschnitt setzte sich die Bezeichnung „Perikope“ durch. Perikopenbücher, die seit dem 8. Jahrhundert in die Liturgie eingeführt wurden, bringen folglich eine Zusammenstellung jener Bibeltexte, die während der Messfeier vorgetragen wurden. Ein Perikopenbuch, das ausschließlich Evangelienabschnitte enthält, nennt man auch Evangelistar oder Festtagsevangelistar, wenn nur die Lesungen zu den kirchlichen Hochfesten zusammengestellt sind. Beispiele dafür sind → Das Passauer Evangelistar, → Das Speyerer Evangelistar und → Das Brandenburger Evangelistar.
Physiologus (griech. = der Naturkundige). Ein im 2. oder 3. Jahrhundert in Syrien oder Ägypten entstandenes Werk, das Tiere, Fabelwesen, Pflanzen und Mineralien unter dem Gesichtspunkt der Zeichenhaftigkeit der Welt und mit christlicher Nutzanwendung in allegorisierenden Geschichten vorstellt, die als Berichte (scheinbar) realer Naturgegebenheiten daherkommen. Im Mittelalter war der Physiologus sehr verbreitet. Es gab zahlreiche Übersetzungen und Bearbeitungen. Die überlieferten Handschriften sind häufig illustriert.
Psalter (griech. psalterion = zitherartiges Saiteninstrument), auch Buch der Psalmen. Ursprünglich eine Sammlung der religiösen Gesänge Israels, seit 100 n.Chr. in seiner heutigen Form mit 150 Psalmen festgelegt. Ab dem späten 12. Jahrhundert wurden Psalterien zunehmend für die tägliche private Andacht herangezogen, ehe sie dann im 14. Jahrhundert vom → Stundenbuch abgelöst wurden. Im 13. Jahrhundert waren kostbar ausgestattete Psalterien in höfischen Kreisen beliebte Hochzeitsgeschenke. Besonders eindrucksvolle Beispiele sind → Der Goldene Münchner Psalter, → Der Breslauer Psalter, → Der Peterborough-Psalter und → Der Bamberger Psalter.
Q
Quaternio. Fachbegriff aus der Handbuchbinderei. Ein Quaternio besteht aus vier Doppelblättern = 16 Seiten und ist die häufigste Lagenform im Mittelalter. Siehe auch → Lage.
Quaternio Verlag Luzern. Der in Luzern am Vierwaldstättersee beheimatete Verlag ist spezialisiert auf die Herausgabe originalgetreuer → Faksimile-Editionen künstlerisch bedeutender Bilderhandschriften aus Mittelalter und Renaissance, die heute in → Bibliotheken, Archiven und Museen in aller Welt gehütet werden. Hinzu kommen bibliophil aufgemachte → Kunstbücher, → Kataloge und einmal jährlich ein → Wandkalender mit „Meisterwerken der Buchmalerei“.
R
Rubrik, Rubrizierung (lat. rubricatus = mit roter Tinte geschrieben). Hervorhebung bestimmter wichtiger Textpassagen (Überschriften, Kapitelanfänge usw.) und Zeichen bevorzugt durch Verwendung von Mennige (zinnoberrote Farbe), gelegentlich aber auch durch Goldtinte.
S
Sakramentar (lat. sacramentum = religiöses Geheimnis). Liturgisches Buch, das ausschließlich für den Gebrauch durch Priester bestimmt war und die bei der Messfeier von ihnen allein zu sprechenden Gebete und Texte enthielt. Seit dem 12. / 13. Jahrhundert wurde das Sakramentar durch das → Missale, ein Messbuch mit Gebeten, Lesungen und Gesangstexten, abgelöst.
Spiegel, Spiegelblatt. Das Blatt vornehmlich aus → Pergament oder Papier, das jeweils innen auf den Vorder- und den Rückdeckel des Einbands geklebt wird. Als Spiegel sind häufig Teile (Fragmente) nicht mehr gebrauchter Bücher verwendet worden.
Stundenbuch (lat. hora = Stunde). Ein standardisiertes, außerhalb des liturgischen Jahreskreises stehendes Andachtsbuch für Laien, eingeteilt in verschiedene Andachten, deren Struktur aus dem Chorgebet übernommen wurde. Das Stundenbuch ist das Gegenstück zum → Brevier, das allein den Klerikern vorbehalten war. Häufig waren Stundenbücher üppig illustrierte Statussymbole oder kostbare Geschenke. Neben einem → Kalendarium mit den Herren-, Marien- und verschiedenen Heiligenfesten enthält es als Kern das Marien-Offizium (→ Offizium), daneben üblicherweise Gebete zum Heiligen Kreuz, zum Heiligen Geist, ein Passions- und ein Toten-Offizium, die → Bußpsalmen, die Heiligenlitanei und die → Suffragien. Künstlerisch herausragende Beispiele sind → Das Sobieski-Stundenbuch, → Das Stundenbuch der Margarete von Orléans, → Das Flämische Stundenbuch der Maria von Medici und → Das Briçonnet-Stundenbuch.
Suffragium (mittellat. = Fürbitte). Wichtiger Teil des → Stundenbuchs. Meist mit einer Miniatur versehenes Gebet an ausgewählte Heilige, um ihre Fürbitte für den Betenden.
T
Textura (lat. textura = Gewebe). Eine gestreckte, eckige Buchschriftart mit dicht aneinander gedrängten, folglich die Vertikale betonenden Buchstaben. Sie entwickelte sich im Laufe des 12. Jahrhunderts in Nordfrankreich, verbreitete sich dann in England und im 13. Jahrhundert schließlich in ganz Europa (mit Ausnahme Südfrankreichs und Italiens). Bei der Textura sind die senkrechten Schäfte und die Bögen der Buchstaben vollständig gebrochen. Da sowohl die Buchstaben als auch die Zeilen mit nur geringem Abstand geschrieben wurden, entstand ein sehr dichtes, dunkles, gitterartiges Schriftbild, ein „Buchstabengewebe“.
Trompe-l’œil (franz. = Augentäuschung). Der französische Begriff findet sich in der Literatur erst seit etwa 1800, um Bilder und Bildelemente zu kennzeichnen, die derart illusionistisch-lebensecht gehalten sind, dass sie eben das Auge des Betrachters täuschen sollen, was die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Schein betrifft. Zu den Voraussetzungen für jedes Trompe-l’œil gehören die perfekte Beherrschung der Perspektive, eine enorme Detailgenauigkeit, die präzise Erfassung von Körper- und Schlagschatten und die raffinierte Verwendung von Überschneidungen. Das Trompe-l’œil ist ein beliebtes Stilmittel vor allem der flämischen Buchmalerei der Spätzeit, um Schmuckbordüren mit scheinbar hingestreuten Blüten, Insekten etc. zu verzieren. In eindrucksvoller Weise lässt sich dies am Beispiel des → Flämischen Stundenbuchs der Maria von Medici nachvollziehen.
Typologie (griech. typos = Form, Gestalt). Christliche Auslegungstradition der Bibel, die eine Person oder ein Geschehen aus dem Alten Testament (dem Typus) als Vorbild für eine Person oder ein Ereignis aus dem Neuen Testament (dem Antitypus) ansieht. Das Alte Testament wird als Voraussetzung für die heilsgeschichtliche Erfüllung im Neuen Testament verstanden. Es geht dabei um ein Verhältnis von Verheißung und Erfüllung. Augustinus: „Was ist das Alte Testament anderes als die Verhüllung des Neuen, und das Neue Testament anderes als die Erfüllung des Alten?“ Die christliche Typologie hatte ihre wissenschaftlichen Wurzeln in den Texten der Kirchenväter und erlebte seit dem 12. Jahrhundert eine ausgesprochene Renaissance. Ein eindrucksvolles Beispiel für die Darstellung typologischer Zusammenhänge in Bild und Text bietet → Der Heilsspiegel aus Kloster Einsiedeln.
U
Unziale (lat. littera uncialis = zollgroßer Buchstabe). Eine seit dem 4. Jahrhundert gebrauchte Buchschriftart aus → Majuskeln mit gerundeten Formen, die sich in der römischen Kursive entwickelt hatten. Später allmählicher Übergang zu einer breiten Vier-Linien-Schrift (→ Minuskeln). Neben der → Capitalis ist sie die häufgste Schriftform von Zierbuchstaben und Auszeichnungsschriften.
V
Vulgata (lat. vulgo = allgemein bekannt, öffentlich, verbreitet). Seit dem Ausgang des Mittelalters Bezeichnung für die in der katholischen Kirche gebräuchliche Form der lateinischen Bibel, die auf die vom heiligen Hieronymus im Jahre 405/406 abgeschlossene Übersetzung des Bibeltextes aus dem Griechischen und dem Hebräischen zurückgeht.
Z
Zeilenfüller. Ausfüllung einer nicht bis an das Ende des Schriftspiegels geschriebenen Zeile mit ornamentalen Motiven, um dadurch einen optisch ausgefüllten Schriftspiegel zu erhalten. Die Ornamentik kann von einfachen Schlangenlinien bis zu aufwendig gestalteten Ornamentleisten mit Vergoldung oder szenischen Malereien und → Drolerien reichen.
Ziselierung. In der Gold- und Silberschmiedekunst bezeichnet das Ziselieren eine Form der Metallbearbeitung, bei der das Metall nicht geschnitten, sondern über eine weiche Unterlage mit Hammer und Punzen oder anderen Werkzeugen (Stichel, Feile, Meißel) getrieben und gedrückt wird, so dass Linien und reliefplastische Formen mit weichen Kanten entstehen. Aus dem Sprachgebrauch der Goldschmiede ist der Begriff „Ziselierung“ in den der Buchmalerei übernommen worden. Während der Goldschmied jedoch beim Ziselieren Silber- und Goldblech mit Hilfe von stählernen Punzenstempeln vorwölbt und mit Mustern strukturiert, arbeitete der Buchmaler ausschließlich mit dem Einpressen von Musterpunzen. Diese Punzierungen ergänzte er häufig mit feinen Linien oder Riffelungen, die er mittels eines abgerundeten Silber- oder Messingstiftes in den noch nicht vollständig erhärteten, polierten Goldgrund eindrückte. Dekoratives Hauptziel der Ziselierung ist es, die gleichmäßige Lichtreflexion der Metalloberfläche zu brechen und über das Licht- und Schattenspiel u.a. die Illusion eines massiven Goldgrunds zu erzeugen. Besonders schöne Beispiele dafür finden sich im → Peterborough-Psalter, in der → Corpus-Christi-Apokalypse, im → Sobieski-Stundenbuch und im → Breslauer Psalter.